

Die Diagnose lautet: Lesewurm
Europes The Final Countdown. One Moment in Time von Whitney Houston. Oder — gerne zur Weihnachtszeit — Wham! mit Last Christmas. Na, klingelt’s? Oder besser: wurmt’s?
Genau, die Rede ist vom gemeinen Ohrwurm, einem laut Wikipedia „eingängigen und merkfähigen Musikstück, das dem Hörer für einen längeren Zeitraum in Erinnerung bleibt und einen hohen akustischen Wiedererkennungs– und Reproduktionswert besitzt“. Das Wort stammt übrigens vom gleichnamigen Insekt ab, das dem Duden zufolge nach volkstümlicher Vorstellung „gern in Ohren kriecht“.
Ein Ohrwurm also. Das kannte ich. Zur Genüge. Siehe oben. Was mir jedoch gänzlich neu war, und was ich erst im Zuge meines Buchprojekts „Speisende soll man nicht aufhalten“ kennenlernte, ist das Phänomen des Lesewurms. Leider liefern hierfür weder Wikipedia noch der Duden brauchbare Erklärungen, deshalb versuche ich mich im Folgenden an einer eigenen Definition:
Lesewurm, Substantiv maskulin. Ein Text, der durch fantastilliardenfaches Lektüre für einen längeren Zeitraum in Erinnerung bleibt und dem Leser dadurch nur noch als sinnentleerte Aneinanderreihung von Buchstaben erscheint.
Einen solchen Lesewurm also habe ich mir eingefangen, wie sich nachdrücklich gezeigt hat, als am Montag die Druckfahnen zu „Speisende soll man nicht aufhalten“ in meinem Briefkasten lagen. Zur Erklärung: Dabei handelt es sich um die Buchseiten, wie sie in ihrer fertigen Form aussehen werden - inklusive Schriftbild, Layout etc. Darin kann ich nun „letzte, kleinere, nicht den Umbruch verändernde Korrekturen eintragen“, wie mir der Rowohlt-Verlag mitgeteilt hat, ehe das Buch endgültig in den Druck geht. Bleibt nur ein Haken: Dazu muss ich das Manuskript ein weiteres Mal lesen — und hier nun kommt der Lesewurm ins Spiel.
Denn gefühlt habe ich in den Monaten des Schreibens, Verbesserns, Ärgerns, Schreibens, Umstellens, Schreibens, Ärgerns, Schreibens, Löschens, Verbesserns und Schreibens das Buch öfter durchgearbeitet, als ich in dieser Zeit Schokoriegel zur Nervenbesänftigung verdrückt habe — und glaubt mir: Diese Zahl lässt den Schuldenstand Griechenlands mickrig erscheinen. Kurzum, ich kann inzwischen ganze Passagen des Manuskripts auswendig; nachts schwirren Textfragmente einzelner Kapitel durch meine Träume; meine einst so aufregende Reise kommt mir beim xten Durchlesen wie eine dröge Tupperfahrt vor; und alle Formulierungen, die mir bei der Niederschrift noch unsagbar genial und vor Wortwitz triefend erschienen, wirken plötzlich nur wie floskelschwere Dampfplauderei. Ein klarer Fall von Lesewurm.
Daher sehne ich inzwischen den Moment herbei, in dem ich die Druckfahnen endgültig in den Umschlag stecke, ihn zu Rowohlt nach Hamburg schicke, und danach die Wörter „Speisende soll man nicht aufhalten“ erst wieder sehe, wenn sie endgültig und unveränderbar auf Buchdeckeln gedruckt sind.
Davor jedoch werde ich mich in den kommenden Tagen zusammenreißen und mir die 16 Kapitel ein letztes Mal mit dem Rotstift vornehmen. Im Kampf mit dem Lesewurm setze ich dabei auf drei Dinge. Erstens: weitere Unmengen an Schokoriegeln. Zweitens: der Gedanke an den 1. Juni, wenn „Speisende soll man nicht aufhalten“ endlich in den Regalen der Buchläden liegen soll. Und drittens werde ich während der Lektüre im Hintergrund The Final Countdown in Dauerschleife spielen — im Kampf Wurm gegen Wurm.
P.S. Weil es so überhaupt nichts mit obigem Text zu tun hat, verweise ich an dieser Stelle noch einmal auf mein neues Projekt — die Schmausepost. Meine Bitte: Werft einen Blick auf die Seite, meldet euch für den Newsletter an, und sagt mir danach, was ihr davon haltet.
P.P.S. In den Manuskriptwälzepausen grüble ich derzeit, wie und wo ich die Vermarktung meines Buches nach dem Erscheinungstermin im Juni etwas ankurbeln kann. Habt ihr Vorschläge, welche Orte bzw. Lokalitäten sich etwa für eine Lesung eignen würden? Oder Ideen, welche Veranstaltungen ich sonst noch auf die Beine stellen könnte? Dann gebt mir bitte Bescheid — hier in den Kommentaren, per E-Mail oder auf meiner Facebook-Seite. Danke!