

Türchen 17 — Buch schreiben macht reich. Nicht.
Ihr braucht noch ein Weihnachtsgeschenk für einen Essensliebhaber, Hobby-Koch oder Reiseenthusiasten? Bis Heilig Abend verschicke ich signierte Exemplare von „Speisende soll man nicht aufhalten“ — und das versandkostenfrei (mehr dazu hier). Um diese Weihnachtsaktion zu bewerben, schnüre ich einen Adventskalender: Von Montag bis Freitag gibt es täglich eine Anekdote rund um mein Buch — beispielsweise, wie es zu dem Titel kam, wie viele Exemplare ich bereits verkauft und welche Unsummen ich damit verdient habe. Heute: Buch schreiben macht reich. Nicht.
Schüchterne Menschen sollten Bücher schreiben. Denn auf Partys, im Büroaufzug oder beim Smalltalk gibt es kaum ein Thema, dass sich besser zum Plaudern eignet. Ich zumindest habe bislang noch keinen Menschen getroffen, der nicht wenigstens fünf Minuten lang Interesse zeigt, wenn ich von meinem Buch und dessen Entstehungsgeschichte erzähle.
Nun habe ich — abgesehen von meiner Beziehung — in kaum ein anderes Projekt derart viel Liebe, Zeit und Anstrengung gesteckt wie in mein Buch, weshalb ich nur zu gerne davon berichte (halbwegs regelmäßige Leser dieser Webseite werden das noch als Untertreibung abtun). Es gibt nur einen Haken: Während ich am liebsten über Kapiteleinstiege, dramaturgischen Aufbau und sprachliche Kniffe debattieren würde oder wenigstens über Gerichte, Rezepte und Köche, drängt es 97 Prozent meiner Gesprächspartner spätestens bei der zweiten Frage zu folgendem Thema: „Wie viel hast du eigentlich mit deinem Buch verdient?“
Offen zugängliche Zahlen
Aus diesem Grund geht es hinter Türchen #17 im Adventskalender heute um das liebe Geld. Doch zunächst zwei Vorbemerkungen:
- Die verbreitete Vorstellung, Buchautoren verdienen sagenhafte Reichtümer, enthält ungefähr so viel Wahrheitsgehalt wie einst das Daum’sche reine Gewissen. Schon richtig: Mit einem Buch kann man ein hübsches Sümmchen machen — allerdings nur „wenn es in 42 Sprachen übersetzt wird, Hollywood sich um die Filmrechte reißt, und die im Buch erfundene Comicfigur auf T-Shirts, Tassen, Bettwäsche gedruckt und als Merchandising-Artikel verkauft wird“, wie es bei buch-schreiben.de trefflich heißt. Ansonsten gelte: „Was verdient ein Autor? — In der Regel zu wenig.“
- Die überwältigende Mehrheit hat kaum eine Vorstellung davon, was ein Buchautor mit seinem Erstlingswerk verdient. Dabei braucht es nur eine Google-Suche, um recht genaue Zahlen ans Licht zu bringen (hier oder hier). Mehr noch: Im Jahr 2005 haben sich der Verband Deutscher Schriftsteller in ver.di und eine Reihe von Belletristik-Verlagen darauf geeinigt, was unter einem „angemessenen Honorar“ zu verstehen sei. Auf dieses haben Autoren seitdem einen Anspruch — und können es im Ernstfall sogar einklagen. Übrigens: Auch der Rowohlt-Verlag, der mein Buch verlegt hat, gehörte zu den Unterzeichnern — insofern verrate ich hier nicht etwa geheime Vertragsdetails, sondern ordne nur offen zugängliche Zahlen.
Und damit zu Mammons Schotter. Im Prinzip ist es denkbar simpel: Als Autor erhalte ich einen bestimmten Anteil von jedem verkauften Buch — und zwar je nach Verkaufszahl fünf bis sieben Prozent des Netto-Verkaufspreises (= Ladenpreis ohne 7% Mwst.). Dieser Wert ist bei Taschenbüchern üblich, findet sich in oben genannten Vergütungsregeln sowie in der Wikipedia.
Gesamthonorar = Fixhonorar
Nun braucht es keinen Rechenschieber, um in meinem Fall grob zu überschlagen: Bei einem Ladenpreis von €8,99 und einem Netto-Verkaufspreis von €8,40 streiche ich pro Buch rund 40 Cent ein. Da nicht zu erwarten steht, dass sich „Speisende soll man nicht aufhalten“ in Bestseller-Sphären verkauft (gemeinhin spricht man davon ab 100.000 Exemplaren), scheint dieser Lohn in einer Liga mit bangladeschischen Näherinnen zu spielen. Auf den ersten Blick.
Zudem gibt es eine zweite Komponente des Vertrags: das Fixhonorar. Es bewegt sich im mittleren, vierstelligen Eurobereich und wurde mir bereits überwiesen — hälftig bei Abgabe des Manuskripts und am Erscheinungstag des Buches. Dieses Fixhonorar wird mit den anteiligen Einkünften verrechnet. Heißt: Erst, wenn mein Anteil (die 5 bis 7 Prozent je Buch) das Fixhonorar übersteigt, sehe ich weiteres Geld. Zugleich muss ich jedoch nichts vom Fixhonorar zurückzahlen — selbst, wenn sich mein Buch kein einziges Mal verkauft hätte.
In Fall von „Speisende soll man nicht aufhalten“ lässt sich das Ganze auch weitaus simpler ausdrücken: Ich müsste schon mehr als 10.000 Exemplare verkaufen, damit mein Verkaufsanteil das Fixhonorar übersteigt — und das wird nicht passieren. Demnach wird mein Gesamthonorar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gleich dem Fixhonorar sein.
Mythos vom ausbeuterischen Verlag
Wenn ich diese Summe nun herunterrechne auf die Zeit, die ich mit Recherche und Schreiben verbracht habe, dann kommt man auf einen Stundenlohn, der irgendwo zwischen nichtexistent und kärglich pendelt — einerseits. Andererseits erhalte ich unabhängig vom Verkaufserfolg einen fixen Betrag, sodass das Risiko vorerst einmal beim Verlag liegt (der ja die sonstigen Kosten trägt).
Ohnehin ist es nicht etwa so, dass Verlage sich auf Kosten ihrer Autoren dumm und dusselig verdienen. Einen interessanten Einblick hierzu gibt es bei Voland & Quist, die einmal im Detail aufgeschlüsselt haben, welcher Anteil des Verkaufspreises letztlich beim Verlag hängen bleibt. (Inwiefern sich diese Rechnung mit einem Großverlag wie Rowohlt vergleichen lässt, sei einmal dahingestellt).
Des Weiteren will ich an dieser Stelle noch einmal auf Türchen #12 verweisen, hinter dem ich all jene Leistungen aufgelistet habe, die der Verlag für mich übernommen hat — vom Lektorat bis zum Marketing. Unentgeltlich, versteht sich. Und zuletzt gilt es wohl auch noch die Folgeeinnahmen eines solchen Buchprojekts zu bedenken, die vorwiegend nicht beim Verlag, sondern in meiner Tasche landen — etwa Honorare bei Lesungen oder weitere Aufträge.
All diese Punkte ändern freilich nichts daran, dass der Autor in 99 Prozent aller Bücher keine Reichtümer verdient. Jedoch legen sie nahe, dass auch die beliebte Geschichte vom ausbeuterischen Verlag eher ins Reich der Mythen gehört. Am besten trifft es wahrscheinlich die Einschätzung eines befreundeten Autors, der bereits mehrere Bücher geschrieben hat, und dem ich mein Honorarangebot vorgelegt habe. Sein Kommentar: „Nicht üppig, aber fair.“
Bisher im Adventskalender:
- Türchen #16 — Zwölf Sekunden Ruhm
- Türchen #13 — Reisen in Bildern (2)
- Türchen #12 — Wieso ein Verlag?
- Türchen #11 — Auf Titeljagd
- Türchen #10 — Todeskuss der Löschtaste
- Türchen #9 — Verlagssuche 2.0
- Türchen #6 — Reisen in Bildern (1)
- Türchen #5 — Zahllose Zahlenspiele
- Türchen #4 — So albern wie Vergleiche
- Türchen #3 — Cover mit falschem Covergirl
- Türchen #2 — Obama oder Osama?
[…] Kaum überraschend waren die besucherstärksten Monate im Jahr 2013 der Juni (am 1. Juni kam mein Buch in die Läden) und der Dezember — wohl wegen meines Adventskalenders. Diese Aktion ist offenbar sehr gut angekommen, sodass die Seite im Monatsschnitt rund 100 Besuche pro Tag verzeichnete. Am stärksten schnitt dabei entgegen meiner Erwartung nicht etwa der Bericht über meinen finanziellen Zugewinn durch das Buch ab, sondern die Geschichte rund um jene Menschen und Erlebnisse, die es nicht ins Buch geschafft haben (Türchen #10 — Todeskuss der Löschtaste). Am zweitbeliebtesten war die Beschreibung meiner langen Suche nach dem passenden Buchtitel (Türchen #11 — Auf Titeljagd), und erst danach landete der schnöde Mammon auf Rang drei (Türchen #17 — Buch schreiben macht reich. Nicht.) […]
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