Ihr braucht noch ein Weihnachtsgeschenk für einen Essensliebhaber, Hobby-Koch oder Reiseenthusiasten? Bis Heilig Abend verschicke ich signierte Exemplare von „Speisende soll man nicht aufhalten“ — und das versandkostenfrei (mehr dazu hier). Um diese Weihnachtsaktion zu bewerben, schnüre ich einen Adventskalender: Von Montag bis Freitag gibt es täglich eine Anekdote rund um mein Buch — beispielsweise, wie es zu dem Titel kam, wie viele Exemplare ich bereits verkauft und welche Unsummen ich damit verdient habe. Heute: Zwölf Sekunden Ruhm.

Meine zweite Lesung fand im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig statt.
Andy Warhol hat jedem Menschen 15 Minuten Ruhm versprochen, und mein Viertelstündchen schien an einem sommerlich warmen Juniabend des Jahres 2013 gekommen. Im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig, wo meine kulinarische Deutschlandreise in der Wechselausstellung „Is(s) was?!“ vertreten ist, stand die zweite Lesung nach der Premiere in München auf dem Programm.
Wie es sich für einen nicht-weltbekannten Autor gehört, stand ich noch vor dem ersten Besucher im Vortragssaal; und wie es sich für einen nicht-weltbekannten Autor gehört, trieb mich die Nervosität zum dritten Mal binnen zehn Minuten auf die Toilette.
„Sie sind doch Patrik Stäbler!“
Auf dem Weg dorthin kam mir ein Mann Mitte 40 entgegen. Ein Zuhörer!, schoss es mir durch den Kopf. Betont lässig warf ich ihm ein „Grüß Gott!“ entgegen und wollte weitereilen — doch das war nicht im Sinne des freundlich dreinblickenden Herrn.
„Sie sind doch Patrik Stäbler!“, rief er mir hastig. Ich nickte verwundert und strich im Geiste folgende Möglichkeiten: Verwandter? Nein! Bekannter? Nein! Verwirrter? Offenbar auch nicht! Konnte es tatsächlich sein — ich traute mich den Gedanken kaum wägen. War dies tatsächlich ein Leser? Gar ein Fan? Ein Fan!
„Ja, das bin ich“, antwortete ich mit zittriger Stimme.
„Hab ich mir doch gleich gedacht!“, sächselte der Mann fröhlich. „Würd ja sonst niemand hier den lieben Gott grüßen.“
„Bitte unterschreiben Sie hier“
Der Mann nestelte an seinem Jutebeutel herum und angelte einen Pack Postkarten hervor. „Hätten Sie gerade einen Moment für mich?“, fragte er und bat mich mittels einer Armbewegung zum nächsten Tisch. Dort breitete er die Postkarten aus und hielt einen Filzschreiber unter meinen Unterkiefer, der etwa auf Bauchnabelhöhe hinuntergesackt war.
Denn diese Postkarten waren keine Postkarten, sondern — mir fällt kein anderes Wort ein — Fankarten. Darauf prangte in Hochglanz das Cover meines Buches neben zwei Fotos von mir, die der Mann offenbar von meiner Webseite heruntergeladen hatte. Dazwischen gähnte mich ein weißes Rechteck an, auf das kurz darauf der Filzstift zeigte.
„Könnten Sie mir bitte diese zehn Karten immer hier unterschreiben?“
Ich schnappte nach Luft, während mein Gesicht sich unwillentlich ketchuprot färbte.
„Aber sicher“, erwiderte ich und versuchte möglichst wenig Selbstgefälligkeit in die Stimme zu legen — vergeblich: Ich klang wie Lothar Matthäus, wenn er erklärt, dass ein Lothar Matthäus jeden Club der Welt trainieren kann.
Farbwechsel per Mausclick
Hastig griff ich zu Karte Nummer eins und setzte schwungvoll meine Unterschrift in das weiße Kästchen — und an dieser Stelle könnte die Geschichte eigentlich enden. Schnitt. Klappe. Abspann.
Doch stattdessen plapperte der Mann weiter. Er besuche jede Veranstaltung hier im Zeitgeschichtlichen Forum. Mein Teint erblasste von ketchupfarben zu blassrot — offenbar hatte er entgegen meiner Annahme diese Lesung mit mir nicht schon vor Monaten dick im Kalender notiert.
Mehr noch: Er hole sich von jedem Künstler diese zehn Unterschriftenkarten. Von jedem. J-E-D-E-M !! Als hätte jemand die Szene per Mausclick in schwarz-weiß konvertiert, wich jegliche Rotschattierung aus meinem nun aschfahlen Gesicht.
„Das ist so’n Hobby von mir“, fuhr er ungerührt fort. „Man weiß ja nie, wofür diese Karten später mal gut sind. Außerdem kann ich mir so die Namen merken.“
Das saß.
Mit zittriger Hand signierte ich die restlichen Karten. Der Mann faselte weiter, dass er Komiker sei. Glaube ich. Und dass solche Veranstaltungen stets Stoff böten für seine eigenen Auftritte. Oder irgendetwas in die Richtung.
Derweil musste ich an Warhol denken — und das hatte etwas Tröstliches. Schließlich bleiben mir jetzt immerhin noch 14 Minuten und 48 Sekunden des Ruhms.
P.S. Lange Zeit war obige Geschichte meine liebste Lesungsanekdote — bis ich vergangene Woche mein Buch in der Stadtbibliothek Garching vorstellte. Denn nach der Veranstaltung kam eine Dame auf mich zu und drückte mir diesen Zettel in die Hand:

Bisher im Adventskalender: